Die falschen Idole der Australier
Ein Land braucht Leitfiguren, Idole, die durch ihr Leben und ihre Erfolge positive Impulse für die Bürger des Landes geben. Früher waren das Entdecker, Erfinder, Gründer. Heute sind es Schauspieler, Sänger, Reklamefiguren. Natürlich auch erfolgreiche Sportler. Urteilen Sie selbst, wie sich die menschliche Gesellschaft in den letzten hundert Jahren „entwickelt“ hat. Australien macht auch hier eine kleine Ausnahme. Natürlich folgen die Aussies, wie alle, dem internationalen Trend. Ein australischer Schauspieler mit Hollywood- Akzeptanz wird schnell zum Nationalhelden stilisiert. Obwohl eine Vielzahl bedeutender Wissenschaftler und Praktiker im Land leben und arbeiten.
Ich war schon froh, dass der „Australier des Jahres 2002“ beim Wettbewerb 2003 nicht wieder gewählt wurde. Der „Crocodil Hunter“ hatte wegen der Publicity sein nur einige Monate altes Baby einem Krokodil vor das Maul gehalten. Das war dann sogar den Aussies zu viel.
Im Gegensatz zu vielen anderen Nationen haben bei den Australiern die Buschräuber des 19. Jahrhunderts einen Heldenstatus. Sie werden verehrt, ihre Taten sind besungen, in Geschichten beschrieben, in Filme verewigt. Im Volksmund leben sie als aufrechte Helden, die für die Armen gegen die Reichen kämpften, weiter. Sie sind die Robin Hoods Australiens. Verbrecher und Mörder, die alle irgendwann gefasst und verurteilt wurden. In den ersten 100 Jahren des Werdens der australischen Nation importierte man vom Mutterland England fast alle Modalitäten des Zusammenlebens. Die Verbrechen und auch die Gerichtsbarkeit. Die grausamen Urteile englischer Gerichte, die Todesstrafen für einen Brotdiebstahl oder aber einem Pferdediebstahl aussprachen, kamen auch in Australien zur Anwendung. Und so gesehen sind unsere heutigen deutschen Richter gar nicht so kritikwürdig. Sie führen nur fort, was ihnen in Jahrhunderten überliefert wurde. Nämlich Urteile, die am gesunden Menschenverstand und am Volksempfinden deftig vorbei gehen.
Diese Bushranger Australiens wurden von der Regierung als eine wirkliche Gefahr für die Normalisierung des Lebens im Land eingeschätzt. Nicht so sehr die ersten Räuber zwischen 1806 und 1830. Das waren entflohene Sträflinge, die man bald wieder einfing oder tötete. Mit dem Goldrausch kam ein neuer Typus Buschräuber. Die Situation eskalierte zwischen 1850 und 1880, als zum Teil organisierte Banden bewusst die Goldtransporte überfielen. Deren Motiv war nicht mehr Überleben, sondern Bereicherung durch Raub. Trotz der häufigen Brutalität des Vorgehens wurden die Banden besonders vom armen Teil der Bevölkerung als Helden und Rächer gegenüber den Reichen verehrt. Sicherlich gab es damals zahllose Buschräuber. Beim Literaturstudium habe ich zwanzig Namen der wohl berühmtesten Gesetzlosen dieser Zeit gefunden. Und unter diesen sind Ben Hall und Ned Kelly die bekanntesten. Aber auch über Harry Redford (Captain Starlight), „Man“ Dan Morgan und Frederick Ward (Thunderbolt) will ich stellvertretend für die anderen erzählen. Sind diese Männer wirklich die angebliche Unsterblichkeit wert? Der Fremdenverkehr und die Andenken- Industrie profitierten mehr von der „Heldenverehrung“ als diese Räuber bei ihren Taten erbeutet hatten.
Edward „Ned“ Kelly:
Als letzter dieser Gesetzlosen soll über Ned Kelly, den wohl „exklusivsten“ Buschräuber Australiens, berichtet werden. Mit der Zerschlagung seiner Bande endete das kurze Kapitel der Buschräuber in Australien. Und das war 1880.
Ned ist der interessanteste und der am meisten beschriebene australische Verfemte. Durch seine überlieferten Taten, aber auch durch Bücher und Filme wurde er zum unsterblichen Volkshelden. Er war ein Wegelagerer, er war ein Räuber und ein Mörder. Aber dazu machte ihn eine erbarmungslose, gewissenlose Justiz, ein Polizeiapparat, der mit Vorurteilen gegenüber dem Sohn irischer Einwanderer vorging. Für die viktorianische Polizei waren und blieben damals alle Iren potentielle Verbrecher.
Im historischen Gefängnis vom Melbourne drängen sich die Menschen, sind bereit, die horrende Summe von 15 $ für die Besichtigung der Zelle Ned Kellys und für einen Blick auf seine Totenmaske zu zahlen.
Sein Vater war als Sträfling wegen des Diebstahls von zwei Schweinen nach Australien deportiert worden. Nach Verbüßung der Strafe lernte er Ellen Quinn kennen und lieben. Mit ihr versuchte er eine bürgerliche Existenz als Farmer aufzubauen. Unschuldig wird er von der Polizei wieder ins Gefängnis geworfen. Ned, 1855 als ältester Sohn geboren, war Zeuge der ständigen Aggressionen der Polizei gegen seine Eltern. So erbte er deren Hass auf die Polizei und gegen die englische Regierung. Als der Vater starb war Ned 12 Jahre alt. Die Mutter eröffnete, um die Familie über Wasser zu halten, eine illegale Schnapsbrennerei. Dabei lernte sie Harry Power kennen, einen Gesetzlosen, dessen Großzügigkeit sie gern annimmt. Bei ihm soll Ned, der von einem Leben als Farmer träumt, in die Lehre gehen. Er lernte das Handwerk eines Räubers, eines Viehdiebes. Alle restlichen guten Vorsätze des Jungen zerstört die Polizei. Die Viehdiebstähle, die er mit seinen Brüdern beging, um den Lebensunterhalt zu sichern, konnten sie ihm nicht nachweisen. Aber die Unterstellung eines gestohlenen Pferdes durch einen Freund bei ihm, welch ein gefundener Anlass, ihn wegen Pferdediebstahl zu verhaften und zu drei Jahren Gefängnis zu verurteilen. Ned war damals 16 Jahre alt
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Im Juni 1880 überfiel die Kelly Bande die kleine Stadt Glenrowan. Sie raubten die Bank aus und durchschnitten die Telegraphenleitung. Diese Besetzung löste in Melbourne die Entsendung eines großen Polizeiaufgebotes aus. Kelly dachte an eine einmalige Chance, die Polizei gründlich zu blamieren. Es sollte eine Show werden. Kelly zwang die Eisenbahnarbeiter die Schienen zu zerstören, damit der Polizeitransport entgleisen mußte. Mit über 60 Geiseln hatte die Bande es sich im Hotel gemütlich gemacht, trank mit den Gefangenen und erwartete den Polizeizug. Das Polizeiaufgebot wurde indessen von einem entflohenen Gefangenen gewarnt und umstellte mit 37 Personen das Hotel. Eine wilde Schießerei begann. Ohne Rücksicht und ungeachtet der schwachen Gegenwehr feuerten die Polizisten ununterbrochen auf das Hotel. Ziellos, durch die Jutewände, einfach nur in die Räume. Die Bande erlaubte den Zivilisten das Hotel in einer Feuerpause zu verlassen. Diese „Schlacht“ ist eine der am meisten dargestellten Schusswechsel in der australischen Literatur. Fakt ist, dass Ned als letzten verzweifelten Versuch auch aus dem Hotel floh und die Polizisten in seiner Eisenrüstung von hinten angriff. Wenn man die Bilder sieht, glaubt man einem Roboter gegenüber zu stehen. Die Kugeln prallten vom Eisenpanzer ab. Sicherlich ein unheimlicher Moment für die Polizei, die ein Dauerfeuer auf einen offensichtlich kugelfesten Mann eröffnet, der langsam, scheinbar unaufhaltsam auf die Polisten zukam. „Ihr erschießt Kinder, ihr räudigen Hunde. Mich könnt ihr nicht erschießen!“ soll er bei seinem Vormarsch gerufen haben. Inzwischen war das Hotel gestürmt und die drei anderen Bandenmitglieder getötet. 30 Minuten dauerte das Gefecht mit Ned Kelly. Dann streckte ihn ein kleiner dicker Polizist mit gezielten Schrotschüssen in die Beine nieder. So gelang es, Ned lebend zu fangen. Der Prozess im November in Melbourne war kurz. Eigentlich stand das Urteil schon vor Beginn fest. Und auch ein Gnadengesuch von 32.000 Menschen unterschrieben, änderte daran nichts. Diese letzte Verurteilung war die zehnte in seinem nur 26 jährigen Leben. Im Gefängnis traf er seine Mutter wieder, die nun ebenfalls aus der Verfolgung der Polizei nicht mehr frei kam, und schon wieder inhaftiert war. „Mind you die like a Kelly, Ned!“ (Sterbe wie ein Kelly, Ned!) soll sie zu ihm gesagt haben. Und am 11. November 1880 wurde er zehn Uhr morgens im Melbourner Gefängnis gehängt. Der Fluch des Ruhmes traf Kelly nach seinem Tod mehr als zu Lebzeiten. Seine Totenmaske ließ Ned wie 56 erscheinen. Sein Schädel, über Jahre von einem australischen Justizbeamten als Briefbeschwerer benutzt, wurde 1978 aus dem Museum des alten Gefängnisses gestohlen und von einem Kelly Fan in der Nähe von Derby begraben.
Zwei Ureinwohner, angeblich Nachfahren der Eingeborenen Führer, mit deren Hilfe damals Kelly aufgespürt wurde, forderten vom australischen Staat 80 Millionen Dollar. Das sei mit Zins und Zinseszins die damals 1880 nicht gezahlte Belohnung von 50 Pfund für die Vorfahren. Und damit hat sich ernsthaft ein Gericht beschäftigt und die Forderung abgelehnt, weil der Nachkommensnachweis nicht eindeutig erbracht wurde. Auch das ist Australien.
Such is life!“ Die letzten Worte Kellys vor seinem Tod beinhalten eben Anfang und Ende. „So ist das Leben!“
Leseprobe aus „Und immer weiter zur Sonne“
http://www.ditido.de
Am 26. Juli wird auf ARD „Die Geschichte des Ned Kelly“ zu sehen sein. Begin 22.45 Uhr
Viel Spaß! Und wer Lust hat die Geschichten über die Gesetzlosen zu lesen? Bestellt Euch das Buch und lest die wahre Geschichte über Ned Kelly auf Seite 528 bis Seite 534!
ditido
Die falschen Idole der Australier
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Hallo Freunde, Euere Reaktion auf die falschen Idole der Australier hält sich sehr in Grenzen.
Schreibt, wenn Ihr mehr wissen wollt.
Aus meinem Buch kann ich sofort folgende Lebensgeschichten ins Forum stellen:
Ben Hall
„Mad“ Dan Morgan
Captain Starlight
Thunderbolt
Moondyne Joe.
Kennt jemand noch schlimmere Buschräuber aus DU?
Wen von denen da oben kennt ihr noch nicht? Wessen Geschichte interessiert Euch?
Wenn nicht? Gut! Dann halt nicht!
ditido
Schreibt, wenn Ihr mehr wissen wollt.
Aus meinem Buch kann ich sofort folgende Lebensgeschichten ins Forum stellen:
Ben Hall
„Mad“ Dan Morgan
Captain Starlight
Thunderbolt
Moondyne Joe.
Kennt jemand noch schlimmere Buschräuber aus DU?
Wen von denen da oben kennt ihr noch nicht? Wessen Geschichte interessiert Euch?
Wenn nicht? Gut! Dann halt nicht!
ditido
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